Träume können wahr werden
Heute geht es mir richtig gut. Ich bin gerade volljährig geworden, habe die Realschule beendet und bin im ersten Ausbildungsjahr bei einem der bedeutendsten Promi-Friseure in Düsseldorf beschäftigt. Ich habe dort sehr nette Kollegen und Vorgesetzte, die mich immer wieder unterstützen. Ich bin dankbar dafür, in meinem Traumberuf einen Ausbildungsplatz gefunden zu haben. Ich habe viele Freunde gefunden, sowohl deutsche als auch arabische. In der Freizeit unternehmen wir sehr viele Dinge miteinander: Sport, Musik hören, Ausgehen, Chillen, Klamotten kaufen, aber auch für die Berufsschule lernen.
Hier herrscht Frieden
Ich bin sehr froh, dass ich mit meinem drittältesten Bruder bei meinen Eltern in Kaarst wohne und dort neben Geborgenheit, Wärme und Sicherheit auch alle Dinge finde, die das Leben hier in Deutschland so angenehm und schön machen. Ja, hier herrscht Frieden. Unsere Wohnung ist schön und nicht zerbombt - hier können wir durchschlafen und ohne Angst leben. Ich habe sogar Internetanschluss und ein Handy. Ich kann unbesorgt in Geschäfte gehen und mir Dinge aussuchen, die mir gefallen. Von meinem verdienten Geld kaufe ich mir gerne modische Sachen und spare auf den Führerschein. Ich bemühe mich, mich so zu geben, wie alle anderen Deutschen auch. Ich kleide mich gerne modisch und gut wie meine Altersgenossen und achte darauf, nicht nur genauso auszusehen, wie alle anderen Jugendliche auch, sondern auch genauso zu sprechen.
Mein großer Traum
Alle meine Brüder arbeiten in der Zwischenzeit in sozialversicherungspflichtigen Berufen. Das war uns sehr wichtig. Wir wollten so schnell wie möglich unabhängig werden vom Sozialamt beziehungsweise vom Jobcentern. Wir waren sehr stolz, als wir das geschafft haben. Mein großer Traum und der meines zweitältesten Bruders Bilal, der in einem der angesagtesten Barbershops in Düsseldorf arbeitet, ist es, nach der Ausbildung einen eigenen Salon zu eröffnen. Wenn mir damals jemand erzählt hätte, wie es mir heute geht, hätte ich das nicht geglaubt und mir das auch niemals vorstellen können. Mit meinen 18 Jahren habe ich gelernt, dass Träume wahr werden können.
Langsam konnte ich meine Ängste abbauen
Auch heute noch, fast vier Jahre nach unserer Flucht aus Syrien, denke ich zurück an unsere Zeit in der Heimat vor dem Krieg: an meine Freunde, an meine Großeltern, an meine Schule und an meine Kindheit. Ich denke auch an die Flucht, ohne die zunächst zurückgebliebenen Eltern, an die Ungewissheit bei der Ankunft hier in Deutschland, an die Unsicherheit, was mit uns geschieht, an die Fremde und daran, dass ich damals Niemanden verstanden habe. Es hat einige Zeit gedauert, meine Ängste abzubauen und zu lernen, wieder positiv zu denken. Geholfen hat mir die Zusammenführung mit meinen drei Brüdern und die Hilfe, die wir in der Folge erleben dürften.
Herr Willi hilft uns immer noch
Die "Flüchtlingshilfe Kaarst" und der "Ökumenischer Arbeitskreis Asyl" haben uns sowohl sehr schnell eine kleine Wohnung bereitgestellt, als auch einen ehrenamtlichen Betreuer vorgestellt, mit dem wir uns sofort, trotz der Sprachbarriere, sehr gut verstanden haben. Von ihm habe ich gelernt, dass das Erlernen der Sprache das Wichtigste überhaupt ist. Mir ist das nicht so schwer gefallen, wie meinen älteren Brüdern und ich habe dann das Erlernte auch schnell durch meine Mitgliedschaft im Schwimm- und im Fußballverein anwenden und verbessern können. Zudem sind hier viele Freundschaften entstanden. Unser Betreuer, den ich auch heute noch "Herr Willi" nenne, obwohl ich weiß, dass es diese Bezeichnung in Deutschland eigentlich nicht gibt, hilft uns - überwiegend meinen Eltern, die im Rahmen der Familienzusammenführung nachreisen durften - auch heute noch. Er war es, von dem ich sehr viel gelernt habe über das Leben hier in Deutschland, über die Art und Weise, hier zu leben und über meine Möglichkeiten. Gemeinsam haben wir auch Schwierigkeiten in der Schule und bei Praktika lösen können. Ich bin froh, dass er sehr oft, wie mein Vater damals in Syrien und heute hier, so geduldig war. Ich lebe hier in großer Freude und Dankbarkeit und bin fest davon überzeugt, dass mein Traum Wirklichkeit wird.
Den Text habe ich zusammen mit "Herrn Willi", also meinen Paten Willi Rauschenberg, geschrieben.
Autor: Yassin Terro