Caritas-Zentrum für Seelische Gesundheit feiert mit KlientInnen 10-jähriges Jubiläum der Ambulanten Therapie
Schwabmünchen, 27.09.2019 (pca). Suchtkrank zu werden, ist keinem in die Wiege gelegt. Eine Suchterkrankung kann sich dann in das Leben eines Menschen einschleichen, wenn er nicht gelernt hat, mit stark und dauerhaft belastenden Situationen gesundheitsschonend umzugehen. Suchtberatung lädt deshalb immer dazu ein, auf sich selbst zu schauen, die Wurzel der eigenen Suchtmittelabhängigkeit in den Blick zu nehmen und dann für sich einen Weg zur und in der Abstinenz zu finden. Das gelingt nicht allein. Man braucht Hilfe, Anleitung, gedanklichen Austausch.
Seit nunmehr zehn Jahren bietet das Zentrum für Seelische Gesundheit der Caritas in Schwabmünchen dazu die Form der Ambulanten Therapie an. In Einzel- und Gruppengesprächen setzen sich Betroffene mit ihrer Sucht auseinander. Doch nicht nur Betroffene lernen dabei etwas für sich. "Auch wir Suchtberater der Caritas lernen ständig dazu", sagt der Suchttherapeut Sebastian Müller. "Unsere Klientinnen und Klienten schenken uns ja einen Einblick in ihr Leben. Wir lernen dadurch sie besser zu verstehen, und dadurch entwickeln sich auch neue Gesichtspunkte", ergänzen die Suchttherapeutin Marta Budna-Lamla und die Psychologin Silvia Scherer.
Am Freitag hat nun das Zentrum für Seelische Gesundheit ehemalige und gegenwärtige Klientinnen und Klienten eingeladen, gemeinsam "10 Jahre Ambulante Therapie" zu feiern. "Wir selbst haben als Suchttherapeuten, Pädagogen und Psychologen in den vergangenen zehn Jahren durch die Klienten viel dazu gelernt", sagte Ursula Köhler-Baiter, die Leiterin des Zentrums der Caritas, am Freitag. Dass nur Klientinnen und Klienten zu einer internen Feier eingeladen wurden, "hat genau damit zu tun. Wir wollten ihnen danke sagen". Das Zentrum tat dies in einer besonderen Weise. In drei Workshops, die der eigentlichen Feier vorausgingen, wurden die Gäste eingeladen, "etwas anders auf das eigene Leben zu schauen und dabei es unter einem Blickwinkel zu tun, auf den unsere Klientinnen und Klienten uns aufmerksam gemacht haben", so der Suchttherapeut Müller.
Budna-Lamla widmete sich dem Thema "Sucht und Frau - Grenzen setzen - Grenzen leben!". In ihren Beratungsgesprächen und Ambulanten Therapie-Gruppen erlebte sie immer wieder, dass ein Ausstieg aus der Sucht nicht nur Veränderung bedeutet, sondern dass die Veränderung auch Abgrenzungen erfordert. "Gerade Frauen, die schon als Mädchen nie gelernt hätten, dass man nicht alles machen muss, und dann später als Mutter sich in der Pflicht sehen, nur für die Familie da zu sein, verfangen sich im Alltag in Überlastungssituationen, nur weil sie nicht nein sagen können." Budna-Lamla sprach davon, dass diese Frauen lernen müssten, Grenzen zu setzen, wie sie behandelt werden wollen oder was sie nicht mehr leisten können. "Ein Mensch, der ständig in einer Überlastungssituation steckt, führt kein autonomes Leben mehr. Andere bestimmen das Leben. Von einem selbst bleibt nicht viel übrig. Das macht kaputt. Und dann kann daraus eine Suchtmittelabhängigkeit entstehen." Budna-Lamlas Ziel lautete: Die Frauen sollen lernen, durch klare Grenzsetzungen ihr Leben autonom zu führen. "Das heißt nicht, außerhalb der Familie oder ohne einen Partner, aber in einer Selbstachtung, die darauf aufpasst, was einem gut tut und was einem schadet."
Müller widmete sich in seinem Workshop den Männern. Frauen trinken, wenn sie süchtig sind, heimlich und versteckt. Männer hingegen eher öffentlich. "Man will ja stark sein und kein Weichei", so Müller. "Über die eigenen Schwächen und Probleme zu reden und sie vor anderen einzugestehen, das ist nicht unbedingt eine Eigenschaft, die Männer gelernt haben." Deshalb woltel der Suchttherapeut in seinem Workshop der Frage nachspüren "Wann ist der Mann ein Mann?" Am Workshop nehmen nur Betroffene teil. Wie stehen sie in ihrer Abstinenz ihren Mann? "Es wurde eine wirklich interessante und für mich spannende Runde", blickte Müller am Abend auf seinen Workshop zurück.
"Ein Indianer kennt keinen Schmerz" - dieser alte Spruch, nach dem ganze Generationen erzogen wurden, beschäftigte den dritten Workshop, den die Psychologin Scherer leitete. Die auch heute noch gesellschaftlich geforderte Härte gegen sich selbst gestattet zwar und fordert auch Mitgefühl gegenüber anderen, verbietet es aber, ein Mitgefühl für sich selbst zu empfinden. "Leid wird als Schwäche empfunden", so Scherer. "Und genau das hilft nicht, wenn man abstinent leben will. Ich werte mich selbst ab, wenn ich es nicht hinkriege. Das schwächt und stärkt nicht." Sie lud deshalb die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihres Workshops dazu ein, "Mitgefühl mit sich selbst zu haben", um herauszufinden, was einem gut tut. Nur so könne ein gutes Selbstwertgefühl entstehen. Der Untertitel ihres Workshops lautete deshalb "Wie Mitgefühl mit sich selbst eine stabile Abstinenz unterstützen kann".