Wie die Caritas im Kreis Heinsberg mit den Folgen des Coronavirus umgeht
Der neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 stellt die Caritas - nicht nur in Heinsberg - vor besondere Herausforderungen.Photo by CDC on Unsplash
Frau Peters, wie wirkt sich das Coronavirus in Heinsberg auf die Arbeit der Caritas aus?
Den Umständen entsprechend kommen wir klar, aber es ist natürlich ein extrem großer Aufwand. Nichts ist derzeit normal. Wir müssen tagtäglich entscheiden, uns beraten: Gibt es neue Mitarbeiter, die erkrankt sind, welche sind möglicherweise Kontaktpersonen von Infizierten, wen können wir einsetzen? Wir informieren die Mitarbeiter Tag für Tag, wir nützen dafür eine Mitarbeiter-App, jeder Tag stellt uns vor neue Herausforderungen.
Marion Peters, Vortstand des Caritasverbandes für die Region Heinsberg e. V.Privat
Gibt es Caritas-Mitarbeitende, die infiziert sind?
Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst infiziert sind oder als sogenannte direkte Kontaktpersonen gelten, weil sie engen Kontakt zu einer infizierten Person hatten. Zunächst, also nachdem der erste Fall Ende Februar nachgewiesen wurde, haben wir diese Kontaktpersonen alle für 14 Tage in Quarantäne nach Hause geschickt. Bei der Zahl der Infizierten und der Geschwindigkeit der Verbreitung haben wir festgestellt, wir können das nicht aufrechterhalten. Der Kreis Heinsberg hat die Quarantänebestimmungen dann auch geändert und empfiehlt mittlerweile, dass Personen die einen medizinischen, pflegerischen oder gruppenbetreuenden Beruf nachgehen - das sind bei uns sehr sehr viele - weiterhin arbeiten können, wenn sie strikte Hygieneregeln beachten und einen eng anliegenden Mund-Nasenschutz wie im OP tragen. Und das setzen wir jetzt auch um.
Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt fünf bestätigte infizierte Mitarbeiter, von insgesamt 1.076, und weitere direkte Kontaktpersonen, die sofort zuhause bleiben sollen, wenn sie Symptome haben. Infizierte Patienten und Bewohner haben wir nach heutiger Kenntnis noch nicht.
Wie schützen Sie beispielsweise Bewohnerinnen und Bewohner in Altenpflegeeinrichtungen?
Wir befolgen alle Hygieneregeln mit großer Sorgfalt. In der Versorgung unserer Patienten heißt das unter anderem konkret: Es gibt in unserem Altenheim die eindringliche Bitte, die Bewohnerinnen und Bewohner nicht zu besuchen. Es ist kein Besuchsverbot aber es grenzt daran. Wir hatten letzte Woche den 90. Geburtstag einer Bewohnerin, wo dann unter Einhaltung strengster Hygieneregeln tatsächlich zwei Angehörige zu Besuch gekommen sind, ansonsten gibt es fast keine Besuche.
Wie ist die Gemütslage in der Belegschaft?
Die Mitarbeiter sind im Großen und Ganzen - nein, nicht gelassen, sie sind sehr aufmerksam, und sie wissen sich zu schützen. Sie kommen alle zum Dienst. Wir haben sehr viele, die sagen: "Gerade in dieser Zeit müssen wir zusammenstehen". Wir haben Gott sei Dank sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereit sind, zusätzliche Dienste zu übernehmen, da bin ich sehr froh drum. Ich kann mich immer wieder nur bei jedem bedanken. Es gibt niemanden, der resigniert hat oder sagt "nee, jetzt mache ich gar nichts mehr". Die Mitarbeiter sagen "wir stehen das durch". Sie haben natürlich auch ihre Sorgen. Wir können nämlich Hygieneregeln so gut wie möglich beachten, trotzdem kann es sein, dass sich jemand infiziert. Wobei die meisten da sehr realistisch sind: Die Wahrscheinlichkeit, sich am Arbeitsplatz zu infizieren ist deutlich geringer als sich im häuslichen oder sozialen Umfeld anzustecken. Das soziale Leben ist in Heinsberg zwar auf ein Minimum verringert, aber trotzdem besteht die Gefahr, ich gehe in den Supermarkt und stecke mich an.
Die Schulen sind geschlossen: Was heißt das für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern?
Zum Teil organisieren sie das privat über Großeltern, Angehörige, Nachbarn, zum Teil gibt es Absprachen der Mitarbeiter untereinander, "heute mache ich das für vier Kinder, morgen Du". Und dazu kommt, dass wir Betreuung in unseren Einrichtungen anbieten. Wir sind ja auch Betreiber von offenem Ganztag an Schulen. Dadurch dass die Schulen geschlossen sind, finden die Ganztagsangebote nicht statt, sodass unsere Betreuer nicht arbeiten können und die stehen uns wiederum zur Verfügung, um die Kinder unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen zu betreuen. Von "Glück" will man hier nicht sprechen, aber das ist die Lösung, die für uns auf der Hand lag. In den ersten Wochen haben viele gesagt "das krieg ich hin" aber jetzt haben wir die dritte Woche, das wird für viele problematisch. Gegebenenfalls bleiben die Schulen noch bis zum Beginn der Schulferien geschlossen, also noch drei Wochen, dann müssen wir dieses Modell beibehalten, es hat sich bewährt. Die Erzieher und Betreuer sind Gott sei Dank auch alle dazu bereit, da herrscht eine große Bereitschaft, uns zu unterstützen.
Können alle Angebote der Caritas in der Stadt aufrechterhalten werden?
Wir haben bereits Ende Februar die Tagespflege in unserem Altenheim geschlossen sowie unsere Tagesstätte für psychisch kranke Menschen, und alle eigenen Fortbildungsveranstaltungen sowie alle Gemeinschaftsveranstaltungen abgesagt - also zum Beispiel den Frühstücktreff in der Kontakt- und Beratungsstelle für psychisch kranke Menschen und unser Café Vergißmeinnicht für demente Menschen. Wir wollten Ansammlungen von vielen Menschen sofort sein lassen, auch wenn es nur 10 oder 15 Personen sind.
Was heißt das für die Klientinnen und Klienten, also zum Beispiel die psychisch kranken Menschen, die diese Tagesstätte besucht haben?
Sie sind zuhause. Wir sichern ihnen zu, dass wir den Kontakt halten, wenn sie das wünschen. Diese Menschen brauchen die Struktur, die der Besuch der Einrichtung bietet. Die Mitarbeiter bieten also an, dass sie vorbeikommen oder intensiven Telefonkontakt halten. Viele nehmen das in Anspruch, andere sagen, das brauchen sie nicht. Ich hoffe inständig, dass auch diese Lösung sich bewährt.
Zur Info: Seit Wochen sind alle Schulen im Kreis Heinsberg geschlossen, das öffentliche Leben ist quasi zum Erliegen gekommen - möglicherweise ein Vorbote von dem, was demnächst an vielen Orten in Deutschland eintreten wird. Der Caritasverband Heinsberg betreibt 40 Dienste und Einrichtungen - und ist auch in Zeiten der Krise für hilfsbedürftige Menschen da.